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Warum der Jugendlohn genial ist

Simone Liedtke

BEITRAG IM MAMABLOG


Jugendlohn, zwei Teenager, Mädchen kaufen auf dem Flohmarkt ein, Second Hand
Foto: Getty Images

Die Töchter unserer Gastautorin erhalten einen Jugendlohn. Sie alle lernten dabei wichtige Lektionen – nicht nur in Bezug auf Nachhaltigkeit. Ein Erfahrungsbericht.


Das Zusammenleben mit Teenagern kann anstrengend sein. Unzählige Diskussionen und Streit um vermeintliche Nichtigkeiten werden erbittert ausgefochten. Es geht den Jugendlichen dabei vor allem um Selbstständigkeit und Autonomie. Auch wenn es einfacher wäre: Ganz selbstbestimmt können wir Eltern unsere Kinder dem Erwachsenwerden nicht überlassen, sie brauchen unsere Hilfe, auch wenn sie das nie zugeben würden. Aufreibende Diskussionen um Geld und Anschaffungen können wir uns jedoch ersparen – mit dem Jugendlohn. Das Erziehungsmodell aus den 70er-Jahren, entwickelt vom Psychologen und Familientherapeuten Urs Abt, hat nichts mit Belohnung zu tun. Viel mehr mit Eigenverantwortung und Unabhängigkeit. Die Jugendlichen erhalten monatlich einen fixen Betrag, mit dem sie einen Teil ihrer Unterhaltskosten wie Kleider, Mobilekosten, Ausgang und Extrawünsche selber bestreiten. Das Modell eignet sich für jede Lohnklasse, da der Betrag dem Familienbudget angepasst wird, und hat viele Vorteile: Die Jugendlichen lernen früh die effektiven Lebenskosten kennen, längerfristig zu planen und zu sparen und die Dringlichkeit ihrer Bedürfnisse und Wünsche abzuwägen. Damit erlangen sie ein Stück weit Autonomie und erfahren Selbstwirksamkeit, was das Selbstvertrauen stärkt.

Jugendliche ab zwölf Jahren sind in der Regel reif genug, um diese Verantwortung zu übernehmen und lassen sich in diesem Alter trotzdem noch gerne von den Eltern beraten. Alles in allem entlastet dieses Modell die ganze Familie, da es viel weniger Konflikte gibt und die Jugendlichen wertvolle Kompetenzen im Umgang mit Finanzen erlernen.


Wo liegen die Schwierigkeiten?

Im Praxistest zeigt sich: Die Sache läuft erstaunlich rund. Meine Kinder hatten schon Erfahrungen mit Sackgeld gemacht, der Sprung zum Jugendlohn fiel ihnen daher relativ leicht. Dass die Anfangszeit gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt, ist normal. Dabei ist es wichtig, die Jugendlichen beratend zu unterstützen, auf finanzielle Hilfe bei Engpässen sollte aber verzichtet werden, damit sie aus ihren Fehlern lernen können. Das ist einfacher gesagt, als umgesetzt.

Als bei meiner älteren Tochter das Geld für Winterstiefel nicht reichte und ich zusehen musste, wie das arme Kind in Turnschuhen im Schneematsch zur Schule ging, wurde ich weich. Ausnahmsweise – aber wirklich nur ausnahmsweise!!! – kaufte ich ihr Winterstiefel. Mit dem Resultat, dass sie weiterhin in Turnschuhen im Schneematsch zur Schule ging. Sie hatte die Winterstiefel absichtlich nicht budgetiert, weil sie sie sowieso nicht tragen wollte. So lernt man, als Eltern auch mal loszulassen – die Angst um die Kinder und die eigenen Vorstellungen.

Billiganbieter und Fast-Fashion

Als schwierig empfand ich die Billig-Anbieter von Fast-Fashion im Internet. Tolle Abbildungen von sehr femininen Frauen und die absurd günstigen Preise wirkten enorm verlockend auf meine Mädchen. Meine Nachbarin berichtete mir übrigens Ähnliches über ihre gleichaltrigen Jungs und deren Erfahrungen mit Billig-Anbietern von Sport- und Elektronikprodukten. Logischerweise entsprechen Qualität und Verarbeitung dem billigen Preis und nicht den Abbildungen.

Wenn dann das Bestellte den Erwartungen nicht entspricht oder Funken schlägt, weil es aus 100 Prozent Polyester besteht, gehts los mit dem Retournieren: Anmelden auf der Website des Anbieters und der Post, Ausdrucken der Etikette, Ausfüllen des Retourscheins und alles zurück in die Originalverpackung, entweder selber auf die Post bringen oder termingerecht in den Briefkasten. Dieser Prozess hat meine Teenies total überfordert. In diesem Fall bin ich jedoch hart geblieben. Ich habe die Retouren auf der Website angemeldet, den Rest mussten sie selber erledigen. Der Aufwand war für sie eine derart nervige Erfahrung, dass sie erst mal gar nicht mehr online einkauften und als der Schock vorbei war, viel bewusster bestellten.


Nachhaltigkeit und bewusstes Konsumverhalten

Die Themen Nachhaltigkeit und bewusstes Konsumverhalten sind mir persönlich wichtig, weshalb ich die Kinder schon früh darauf sensibilisiert habe. Das beginnt natürlich zuallererst beim eigenen Lebensstil und dem Vorleben von Idealen. Wir achten in der Familie auf die Vermeidung von Foodwaste, auf gute Qualität und umweltschonende Produktion bei sämtlichen Produkten. Auch fairer Handel und Klimaschutz sind uns wichtig. Zugegeben: In der Umsetzung hapert es oft, aber wir machen Fortschritte.

Die Kinder kaufen keine Fast-Fashion mehr ein. Einerseits stört sie die schlechte Qualität, andererseits tragen sie sowieso immer dieselben Stücke, die dürfen dann ruhig mal etwas teurer sein und dafür länger halten. Dass Online-Shopping nicht per se schlecht ist, wissen wir unterdessen. Um mehrere Transportwege zu vermeiden, bestellen wir alle zusammen. Das kann manchmal ein lustiger Online-Einkaufsevent sein und manchmal eine nervige Angelegenheit. Da bei den Retouren nicht klar ist, ob diese wieder in den Handel kommen oder entsorgt werden, messen wir zuerst die Grössen genau aus und überlegen uns, was wir wirklich brauchen. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass der eine oder die andere doch mehr als nötig bestellt. Das ist ok, denn allzu dogmatisch wollen wir nicht sein.

Ein toller Trend unter Jugendlichen sind Second Hand Shops, Tauschbörsen und Flohmärkte. Sie sind eine ergiebige Fundgrube für angesagte Vintage-Sportklamotten und Markenartikel. Meine Kinder stehen am Samstag sogar freiwillig in aller Herrgottsfrühe auf, um auf dem Flohmi die besten Stücke zu ergattern und platzen vor Stolz, wenn sie ihre Beute präsentieren können. Wer sich traut, kann ausserdem um den Preis handeln. Das macht nicht nur Spass, sondern beinhaltet einen weiteren, wichtigen Lerneffekt.

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